Kategorien: Electrification
Veröffentlicht 7 Sept. 2023

Grüner Stahl ist gefragter denn je. Steigende gesetzliche Anforderungen und wachsende Verfügbarkeit von sauberer Energie sind wichtig, um den Übergang zu einer CO2-neutralen Stahlproduktion zu beschleunigen, aber auch kurzfristig sind Veränderungen möglich, um Auswirkungen auf das Klima zu verringern. Das sagt Åsa Ekdahl, Leiterin der Abteilung Umwelt und Klimawandel beim Weltstahlverband.

CaptionÅsa Ekdahl, Head of Environment and Climate Change at World Steel Association

Die Stahlindustrie muss den politischen Entscheidungsträgern verdeutlichen, wie ihr künftiger Bedarf an CO2-freiem Strom aussehen wird und welche Vorteile eine verstärkte Elektrifizierung hat.

„Damit eine CO2-arme Zukunft wirklich Realität wird, sind politische Veränderungen erforderlich“, sagt Ekdahl. „Die Stahlindustrie muss den politischen Entscheidungsträgern verdeutlichen, wie ihr künftiger Bedarf an CO2-freiem Strom aussehen wird und welche Vorteile eine verstärkte Elektrifizierung hat.“ Diese Vorteile werden größtenteils durch den Ersatz fossiler Brennstoffe durch CO2-freiem Strom entstehen, sagt sie.

Das Stromnetz ist in den meisten Ländern jedoch immer noch nicht in der Lage, CO2-armem Strom in dem Umfang und zu den Kosten bereit zustellen , die für die weitreichende Veränderungen erfordelich sind. Ein Beispiel ist das schwedische HYBRIT-Projekt (Hydrogen Breakthrough Ironmaking Technology) . . Ein Joint Venture des Stahlerzeugers SSAB, der Bergwerksgesellschaft LKAB und von Vattenfall das in einem neuen Prozess für die Stahlherstellung 100 % fossilfreiem Wasserstoff anstelle von Kohle und Koks verwenden will. DIeser neue Prozess, bei dem Eisenerz in Eisen fossilfrei umgewandelt werden soll, wird voraussichtlich allein etwa 15 TWh CO2-freien Strom verbrauchen.

Große Möglichkeit durch den Einstieg in die Elektrifizierung

Ohne ausreichend CO2-freien Strom, um die gesamte Industrie auf grünen Stahl umzustellen, könnten in der Zwischenzeit Schritte zum besseren Klimaschutz unternommen werden, sagt Ekdahl. Beispielsweise könnten sich Stahlhersteller für die Verwendung von Erdgas für die Produktion von direkt reduziertem Eisen (DRI) als Übergangslösung entscheiden, bis Wasserstoff erschwinglicher wird. Eine weiter Möglichkeit besteht darin, mit der Vorbereitung der Elektrifizierung zu beginnen.

CaptionElectric car bottom furnace at Kanthal's production site in Hallstahammar, Sweden

„Abgesehen von der Umstellung der Stahlerzeugung selbst auf einen CO2-armen Prozess sollte sich die Industrie auf die Elektrifizierung anderer wichtiger Bereiche wie Wärmebereitstellung, Wärmebehandlung und vorbereitende Prozesse konzentrieren. Darin steckt großes Potenzial für die Elektrifizierung“, sagt sie.

Nach Schätzungen des schwedischen Stahlproduzentenverbandes könnte Strom in der schwedischen Stahlindustrie etwa 80 Prozent des Brennstoffes für die Wärmebehandlung und etwa 20 Prozent des Brennstoffes für das Heizen ersetzen. Das entspräche einer jährlichen Einsparung von 300.000 Tonnen CO2-Emissionen und einer Halbierung auf nahezu 400.000 Tonnen pro Jahr. Auch wenn ähnliche Prognosen für die globale Stahlindustrie noch nicht verfügbar sind, birgt diese eine erhebliche Chancen.

Abwarten ist keine Option

Und auch wenn der Umstieg auf Elektrizität weiterhin Energie aus fossilen Quellen benötigen würde, sei dies nicht unbedingt ein Grund, abzuwarten, betont Ekdahl.

„Selbst wenn CO2-freier Strom noch nicht zu 100% verfügbar ist, könnte durch einen Umstieg jetzt der zukünftige Strombedarf abgeschätzt werden, auch wenn er vorerst noch Emissionen verursacht“, sagt sie.

Maßnahmen im Bereich Nachhaltigkeit können sich für die Unternehmen auch rentieren. Beispielsweise unterstützt das „Step Up“-Programm des Weltstahlverbandes Unternehmen dabei, ihre Emissionen zu reduzieren und durch Effizienzsteigerungen ihre Energiekosten zu senken. Nach Angaben des Weltstahlverbandes kann die erfolgreiche Implementierung des Programmes, die direkten und indirekten Emissionen in einem Stahlwerk, das Erz verwendet, durchschnittlich um bis zu 20 Prozent und in einem Werk, das Stahlschrott verwendet, um durchschnittlich bis zu 50 Prozent zu reduzieren.

Nicht jeder kann ein Early Adopter sein

Wer könnte also heute von der Herstellung von grünem Stahl profitieren?

Es ist kein Geheimnis, dass die Herstellung von kohlenstoffarmem Stahl deutlich teurer ist als die Verwendung von konventionellen Techniken. Dies hat jedoch einige bekannte Marken nicht davon abgehalten, sich für einen Umstieg zu entscheiden.

Im April gab der schwedische Autogigant Volvo bekannt, dass er mit dem Pionier für hochfesten Stahl SSAB zusammenarbeitet will, um die weltweit ersten Fahrzeuge aus fossilfreiem Stahl zu entwickeln und zu vermarkten. Der Stahl, den SSAB mithilfe von Wasserstoff herstellen wird, könnte noch in diesem Jahr in die ersten Konzeptfahrzeuge und Bauteile integriert werden. Die Mercedes-Benz AG hat den Erwerb einer Kapitalbeteiligung am schwedischen Start-up H2 Green Steel bekannt gegeben mit dem Zeil bis 2025 Fahrzeuge mit CO2-freien Stahl auf den Markt zu bringen 2.

Ekdahl glaubt, dass es sowohl Vor- als auch Nachteile haben kann, ein Early Adopter im Segment des grünen Stahls zu sein.

„Jedes Unternehmen ist anders“, sagt sie. „Wenn es um die kommerzielle Machbarkeit von grünem Stahl geht, kommt es wirklich darauf an, was Sie tun. Wenn Sie High-End-Produkte herstellen und auf den Premiummarkt abzielen, sind Ihre Kunden möglicherweise bereits bereit, mehr für ein nachhaltiges Produkt zu zahlen.“ Für andere sei es möglicherweise sinnvoller zu warten, bis eine Standardtechnologie verfügbar ist, fügt sie hinzu.

Der Vorteil für Unternehmen wie Volvo, die sich jetzt für den Schritt entscheiden, ist die Möglichkeit, mit einem führenden Hersteller wie SSAB zusammenzuarbeiten, um genau das Produkt zu entwickeln, das sie wollen. In der Zwischenzeit entscheiden sich andere möglicherweise für einen anderen Weg.

„Was aktuell jeder tun kann, ist, mit politischen Entscheidungsträgern in Kontakt zu treten“, sagt Ekdahl. „Grüner Stahl mag derzeit sehr teuer sein, aber auch konventionelle Technologien werden in Zukunft teurer werden aufgrund von steigenden Preisen für CO2-Emissionen und strenger werdenden Emissionsvorschriften.“

Über das Step-Up-Programm des Weltstahlverbands
Step-up ist ein mehrstufiges Verfahren, das Rohstoffe, Energieeinsatz, Ertrag und Wartung umfasst. Es kann zur Effizienzsteigerung von Stahlwerken eingesetzt werden, mit dem Ziel das Niveau der Spitzenreiter der Stahlindustrie zu erreichen. Der Weltstahlverband hat einen branchenbezogenen vierstufigen best-practice Verfahren zur Bewertung der Effizienz entwickelt und dem Stahlwerke weltweit folgen können. Erfahren Sie hier mehr zu diesem Thema.

Echter Wandel erfordert eine klimaneutrale Politik

Regierungen und Regulierungsbehörden könnten laut Ekdahl nicht nur Druck auf den Energiesektor ausüben, die Produktion CO2-arme Energie zu steigern, sondern auch die Wettbewerbsfähigkeit von grünem Stahl durch Klimapolitik und Ausschreibungsverfahren erhöhen.

„Wenn in öffentlichen Ausschreibungen fossilfreier Stahl eine Vergabe-Bedingung wäre, würde das den Übergang beschleunigen“, schlussfolgert sie. „Langfristig wird die Stahlindustrie diesem Beispiel folgen. Es wird zu echten Veränderungen kommen, wenn die Regierungen beginnen, eine klimaneutrale Politik zu verfolgen – wie wir es in Ländern wie den USA, Japan, China und Korea gesehen haben.“